Steht hinter jedem Hass auch ein Selbsthass?
Hier ein Auszug aus dem Buch «Anatomie der Seele» oder «Das grosse Buch der Seele» (Taschenbuch) ab Seite 401:
... Diese Einsicht führt zur Konsequenz, die er ebenfalls anerkennen muss, dass sein Hass letzten Endes keinem anderem als ihm selber gilt. Hasst er, so hasst er im Grunde nur sich selber. Erst dann, wenn er dies einsieht, kann er daran gehen, seinen Hass aufzulösen. Die Voraussetzung für die Auflösung des Hasses aber ist, dass er erkennt, warum er sich hasst.
Kennt er die Zusammenhänge hinter der Kulisse des Lebens, kennt er also das Karma-Gesetz, und kennt er einige Ereignisse aus seiner früheren Vergangenheit (z.B. mit Hilfe von Rückführungen), so wird er den einen Grund seines Selbsthasses erkennen können:
Er hasst sich deshalb, weil er sämtliche Schwierigkeiten, die er im gegenwärtigen Erdenleben hat und in allen früheren Inkarnationen hatte, sich selber eingebrockt hat, nämlich durch sein nicht gerade liebenswürdiges Verhalten.
Der Selbsthass kann jedoch noch einen tieferen Grund haben. Viele Menschen, die große Schwierigkeiten mit sich haben, können es nicht ertragen, dass sie nicht so sind, wie sie sein möchten. Sie haben ein hohes Ideal, und da sie merken, dass sie von der Verwirklichung dieses Ideals sehr weit entfernt sind, ja – anscheinend – keinen einzigen Schritt zu seiner Realisierung tun können, sind sie erbittert über jene Person, die sie daran hindert, das Ideal zu verwirklichen. Und da diese Person sie selber sind, richtet sich der Hass gegen sie selbst.
Was sie dabei übersehen, ist die Tatsache, dass jeder Mensch seine hohen Ideale einmal verwirklichen wird, nur muss er dazu reifen. Und der innere Reifeprozess dauert nicht nur einige Tage, nicht einmal nur einige Inkarnationen. – Damit also der Mensch sich selber verstehen kann, muss er erkennen, wie es mit ihm in Wahrheit steht. Seine Lage ist keineswegs außergewöhnlich. Jeder Mensch steht in der gleichen Situation, denn jeder ist der inneren Entwicklung gleicherweise unterzogen und auch die Abschnitte der Entwicklung verlaufen für alle im großen und ganzen ähnlich. Keiner ist immerzu „brav“ gewesen, jede Seele hat nebst ihrem „Lichtgewand“ auch eine ziemlich beschmutzte „Weste“.
Derjenige, der sich mit seinem Selbsthass auseinandersetzt, muss daher erstens wissen, dass er mit seinem Problem – und dieses ist seine Schuldhaftigkeit – nicht allein dasteht. Es gibt keinen Menschen, der sich in der ersten Hälfte seiner inneren Entwicklung nicht verschuldet hätte. Im übrigen gibt es keine Art möglicher Verschuldung, die nicht ein jeder auf eine – individuelle – Weise begangen hätte. – Zweitens: Alles, was einer in seiner Vergangenheit getan hat, hat er tun müssen. Dies gilt auch dann, wenn seine damalige Verhaltensweise vom heutigen Standpunkt aus als „Fehler“ oder als – vermeintlich – vermeidbare „Sünde“ oder sogar als großes Verbrechen erscheint.
Er muss also auch wissen, dass alles, was er früher an Verschuldungen begangen hat, damals – auf den unteren Entwicklungsstufen – für ihn „richtig“ war. Er musste zu allen Zeiten so leben, wie er lebte, weil es ihm nur auf diese Weise möglich war zu existieren, zum einen, damit er die nötigen Erfahrungen machen konnte, zum anderen, weil er zu jener Zeit noch nicht so reif war, dass er anders hätte leben können. Er hatte zu seiner damaligen Verhaltensweise keine Alternative.
Kann er sich nicht verzeihen, so muss er sich klar machen, warum er es nicht tun kann. – Der Grund dafür besteht darin, dass seine Neigung zu verurteilen und zu bestrafen noch sehr stark in ihm wirkt. In früheren Inkarnationen hat er viele – unter ihnen immer auch Unschuldige – verurteilt und hart bestraft, ohne Verständnis für die Lage oder das Motiv der Schuldigen (z.B. Diebstahl aus Hunger) und oft auch ohne Erbarmen mit Reumütigen. Nun wendet sich die Neigung zum Verurteilen und Bestrafen gegen ihn selber, sobald er einsieht, dass er der wahre Schuldige ist. Er verurteilt und bestraft sich also selber.
Bereits dann, wenn sich das schlechte Gewissen im Menschen noch völlig unbewusst regt, kann der Mensch von innen her – und ebenfalls unbewusst – zur Selbstverurteilung und Selbstbestrafung veranlasst werden. Verborgener Selbsthass und der unbewusste Wunsch, seine Schuld durch Selbstzerstörung zu büßen, äußern sich nicht selten auf überaus unangenehme oder sogar destruktive Weise.
Es gibt typische „Selbstbestrafungskrankheiten“ wie Magersucht, Epilepsie oder Süchtigkeit (Alkohol, Drogen), die das ganze – gegenwärtige – Leben zerstören können. Der Selbsthass kann Depressionen oder psychotische Zustände verursachen und zum Selbstmord führen.
Möchte sich der Mensch von seinem Selbsthass befreien, so muss er versuchen festzustellen, ob und wie weit in ihm die Neigung zur Selbstverurteilung und Selbstbestrafung noch lebendig ist. Die Neigung wirkt im Menschen vorerst meistens unbewusst. Soll sie sich nicht zerstörerisch auswirken, so muss er sie sich bewusst machen.
Letztlich löst sich der Selbsthass und mit ihm die Neigung zur Selbstverurteilung und Selbstbestrafung erst auf, wenn der Mensch sich klar macht, dass er sich mit dieser Haltung im Grunde an Gottes Stelle setzt. Verurteilt und bestraft der Mensch sich oder andere (z.B. durch Racheakte) selbstherrlich, so maßt er sich jenes Recht an, das allein Gott zusteht. Möchte er sich also von der Neigung zum Urteilen befreien, so muss er den „Richterstuhl“ dem überlassen, dem er tatsächlich zukommt: Gott. –
Um dies tun zu können, muss er imstande sein, sich ganz nach oben zu öffnen. Er muss die Himmlischen um Hilfe bitten und sein ganzes Leben, so neben dem Lichtvollen und Schönen auch das Düstere in seiner Vergangenheit – wie auch seine Zukunft – in die Hände seiner Geistigen Führer und damit in die Hände Gottes legen, ohne über sich zu Gericht zu sitzen. –
Der Mensch kann seinen Selbsthass und seine destruktiven Neigungen letzten Endes nicht selber auflösen. Er muss zulassen, dass dies geschieht, zulassen, dass ihn seine Geistigen Führer und letztlich Gott von allen negativen Neigungen befreien.
Es scheint, es sei ein Kinderspiel, sich die seelische Last von den Höheren Mächten wegnehmen zu lassen. Wer allerdings dem inneren Kampf schon ausgesetzt war oder es noch ist, wird wissen, dass der allerschwerste Schritt darin besteht, sich nach oben zu öffnen und alles, was Seele und Geist an Gutem und Bösem zu bieten haben, den Himmlischen restlos zu überlassen.